Saturday, September 11, 2010

SERIENKILLER

Robert William Pickton ist wahrscheinlich Nordamerikas schlimmster Serienmörder. 26 Frauen soll er bestialisch getötet und auf seiner Farm vergraben haben. Einem Polizisten gegenüber soll er sogar 49 Morde zugegeben haben.

Die Polizei fand Rest der Opfer im Boden. Einige hatte der Mann wohl an seine Schweine verfüttert.

Robert W. Pickton auf einer Videoaufnahme

Robert Pickton beugt den Kopf, als er am 11. Dezember den Gerichtssaal in New Westminster bei Vancouver betritt. Der 57-jährige Schweinezüchter aus Port Coquitlam sieht blass aus und müde, die Haare sind strähnig und schulterlang.

"Nicht schuldig, Euer Ehren", wiederholt Pickton sechsmal in seiner kugelsicheren Plexiglaskabine, als Richter James Williams die Klageschrift verliest. 26 Frauen, meist Prostituierte aus Vancouvers Elendsviertel Eastside, soll der Angeklagte umgebracht haben.

Im Februar 2002 wurde Pickton auf seiner Farm in dem Vorort östlich von Vancouver verhaftet. Unter Kanadiern ist Port Coquitlam bekannt für seine Galerien, Blaubeerplantagen, guten Segelreviere und satt-grünen Regenwaldparks. Hier hat der wahrscheinlich schlimmste Serienmörder Amerikas sein Unwesen getrieben.

Die Pickton Farm aus der Luft

Viel weiß man nicht über Robert Pickton. Die Nachbarn haben nicht mitbekommen, was sich auf dem abgeschotteten Bauernhof in der Dominion Avenue 953 abspielte. Die Lokalzeitung "Vancouver Sun" beschrieb das Anwesen als "Kanadas Ground Zero".

Es gibt dort inzwischen keine Hühnerställe, Wasserbrunnen, Wetterhähne mehr, sondern Bagger, Förderbänder und schwere Lkws. Die Scheunen sind dem Erdboden gleichgemacht, das gelbe Band der Polizei ("Crime Scene") weist auf einen Tatort hin: "Kanadas Tor zur Hölle", wie die Einheimischen sagen. Die Polizei hat eine Nachrichtensperre über den Fall Pickton verhängt.

Gina Houston, eine langjährige Freundin, beschrieb den Schweinefarmer als "netten, fürsorglichen Mann", der gerne Frauen hilft. "Er gab Prostituierten lieber etwas Geld, als sie arbeiten zu sehen."

Und Bill Hiscox, ein Alkoholiker, der in den Neunzigerjahren auf der Farm arbeitete, nannte Pickton einen "ziemlich ruhigen Kerl, mit dem man nur schwer ein Gespräch anfangen kann".

Der Stall von Robert Pickton

Auch sei er öfter in einem umgebauten Bus mit getönten Scheiben durch die Gegend gefahren. Es war Hiscox, der 1998 gegenüber der Polizei die Verbindung zwischen vermissten Prostituierten in der Eastside und der Pickton-Farm herstellte.

Er erzählte den Polizisten auch von den Damenhandtaschen in Picktons Wohnwagen und dessen "dauernden Besuchen in der Eastside, wo er Frauen aufgabelte".

Stall auf der Pickton Farm

Die Fahnder reagierten. Dreimal wurde Picktons Bauernhof durchsucht, ohne Ergebnis. Trotzdem galten er und sein Bruder von nun an als "persons of interest", ein juristisch weicher Ausdruck für Verdächtige. Doch überwacht wurden sie nicht. Währenddessen wurde die Liste der vermissten Frauen länger.

Dass Pickton gewalttätig war und auch Prostituierte angriff, war zu dieser Zeit bereits aktenkundig. Im April 1997 nahm er die Prostituierte Wendy Lyn Eistetter mit auf seine Farm.

Im Streit verletzte er die Frau mit einem Küchenmesser. Sie konnte sich vom Gelände retten und Anzeige erstatten. Die Klage wurde im Januar 1998 wieder fallen gelassen, weil sie nicht gegen ihn aussagen wollte.

Auffindungsorte der Leichenteile

Fünf Monate nach dem geplatzten Verfahren wegen Wendy Lyn Eistetter erhielten die Ermittler den Hinweis einer anderen Prostituierten, in einem Wohnwagen Picktons lägen Tüten voll blutiger Wäsche und die Pässe von Frauen. Wieder gab es eine Durchsuchung, wieder ohne Erfolg.

Den Bauernhof fanden die Ermittler verwahrlost vor, übersät mit Müll und Schrottautos. Über dem von Stacheldraht umrahmten Eingang baumelte eine Tafel, die Eindringlinge vor dem Angriff eines HIV-infizierten Pitbulls warnte.

Die Schweinezucht hat eine lange Tradition in der Familie Pickton. Der Urgroßvater hatte Anfang des 20. Jahrhunderts damit begonnen, doch es waren die Brüder Robert und David Pickton, die mit der Farm reich wurden.

Nach dem Tod ihrer Eltern verkauften sie in den Neunzigerjahren das Grundstück für 5,2 Millionen Dollar zum Großteil an lokale Baufirmen und an die Stadt für den Bau eines Parks und einer Grundschule.

Es war zu dieser Zeit, dass die Zahl der vermissten Frauen aus der Eastside dramatisch anstieg. Ein Jahr nach der Aussage von Hiscox, 1999, machte die Serie verschwundener Frauen aus der Eastside plötzlich auch landesweit Schlagzeilen.

Das Viertel in Vancouver im September 2010
Jamie Lee Hamilton, ein Transsexueller, der zuvor als Prostituierte in der Eastside gearbeitet hatte und jetzt ein Frauenhaus leitete, gab eine viel beachtete Pressekonferenz, in der er auf die rasant gewachsene Zahl verschwundener Frauen aufmerksam machte.

Seither hat sich in dem Viertel nicht viel verändert
Doch erst als die "Vancouver Sun" - eine der beiden großen Tageszeitungen der Stadt - im September 2001 eine Serie über die vermissten Frauen startete, wurde der öffentliche Druck groß genug: Die Fahnder rückten Robert Pickton erneut auf den Leib.

Im Februar 2002 schließlich wurde er verhaftet. Im Juni des Jahres begannen die Ermittler der Bundespolizei mit 80 Experten und Spürhunden sowie Dutzenden von Archäologiestudenten, die auf menschliche Knochen spezialisiert waren, die Farm umzugraben.

Robert Pickton, wie der Gerischtszeichner ihn sah
Auf einem Fließband wurden die Funde sortiert: Knochenteile, Wimpern, Zähne, Hautfetzen, Fingernägel und Schädelstücke. Nicht eine Leiche soll vollständig gewesen sein. Kanadas Bundespolizei benötigte über ein Jahr, um den sechs Hektar großen Bauernhof von Robert Pickton zu durchkämmen.

Dass es auf Picktons Farm nicht ganz normal zuging, haben Anwohner und Mädchen aus der Eastside schon lange erzählt. Pickton und sein Bruder David feierten wilde Partys in einer Scheune, die sie "Piggy Palace" nannten.

Der Schweinchenpalast, der inzwischen abgerissen wurde, war eine von Hunderten brauner Scheunen, die in der landwirtschaftlich geprägten Gegend mit steil gewölbten Dächern aufragen. Vor acht Jahren inspizierte der Feuerwehrchef von Port Coquitlam den Piggy-Palast, weil die Brüder Pickton keine Lizenz für Tanzveranstaltungen hatten.

Randy Shaw beschrieb die Tanzhalle anschließend als professionellen Vergnügungsort mit industrieller Küche, einer großen Bar, einer Bühne, einem Parkett, einem Sound- und Lichtsystem sowie einer Bestuhlung für mindestens 150 Leute.

Und nicht nur Prostituierte tanzten hier. Auch zwei Bürgermeister, zahlreiche Stadträte, lokale Wirtschaftsgrößen und sogar Schüler feierten Bankette, Konzerte und Freizeitveranstaltungen im Piggy-Palast.

Vermisst

Die Tageszeitung "Toronto Star" porträtierte Pickton im März 2004 nach Befragung von Prostituierten, die an seinen ausschweifenden Partys teilgenommen hatten, so: "Er war großzügig, kochte für sie, teilte Drogen aus und gab wilde, nie endende Partys."

Ein wohl magisch anziehender Ort für die Gestrandeten der Eastside. So mancher Ermittler fürchtet seitdem, dass Robert Pickton während der Partys am Grill nicht nur Schweinefleisch aufgelegt hat.

Fotos der vermissten Frauen

In den Kühlschränken, wo Pickton unverkaufte Schweinshaxen aufbewahrte, wurden die Füße, Hände und Köpfe von zwei vermissten Frauen gefunden.

Die "Vancouver Sun" berichtete unter Bezugnahme auf forensische Spezialisten, dass einige Opfer auch an die Schweine verfüttert wurden. Den Nachbarn erzählten die Pickton-Brüder, sie sammelten auf den Partys Geld für wohltätige Zwecke.

Von manchen der Opfer wurden nur noch Gewebereste gefunden, gerade genug für einen genetischen Fingerabdruck. Die gigantische Suchaktion kostete 40 Millionen Euro und förderte so grausame Funde zu Tage, dass Journalisten, die im vergangenen Jahr der vorgerichtlichen Beweisprüfung beiwohnten, anschließend psychologisch betreut werden mussten.

Details der Anklage dürfen die Medien auf Anordnung des Richters bis zur Eröffnung des Verfahrens am 8. Januar nicht enthüllen. Auch die Identitäten der Juroren sind tabu. "Wir haben es hier mit Morden zu tun, die einen umhauen", sagt die Pastorin Ruth Wright von der First United Church, die eine Mission in der Downtown Eastside unterhält.

Richter Williams hat die Anklage gegen Robert Pickton zweigeteilt. Er fürchtet, die Geschworenen könnten die vielen erschütternden Details aus allen 26 Anklagepunkten nicht auf einmal verkraften. Daher werden im ersten Verfahren gegen ihn zunächst "nur" sechs Morde verhandelt.

Briefe die Pickton aus der Haft schrieb

Für die Familien der ermordeten Frauen geht das ganze Leid über den Verlust der Angehörigen damit in eine neue Phase. "Da hat sich ein enormer Stress aufgebaut, Schmerz und Leid", sagt etwa Wayne Leng, die in den Neunzigerjahren die Polizei drängte, endlich die Suche nach der wachsenden Zahl verschwundener Frauen zu forcieren. Wayne Lengs Freundin Sarah de Vries war eine von ihnen.

Ihre DNA wurde auf der Pickton-Farm gefunden. Ihr Name steht auf der Liste der Anklage für das Verfahren ab Januar. Sarahs Schwester Maggie hat ihre Geschichte in einem Buch aufgeschrieben. "Missing Sarah" gilt als das detaillierteste Porträt über eine Frau in der Eastside.

Rick Frey, der Vater von Marnie Frey, einer der 26 Frauen, die Pickton auf dem Gewissen haben soll, hat sein Trauma nicht in einem Buch verarbeitet. Er weiß nicht, ob er das anstehende Verfahren durchhalten wird.

Im vergangenen Jahr ging er zur Anhörung, als das Gericht prüfte, ob die Beweise für eine Anklage gegen Robert Pickton ausreichend sind. "Als der Anwalt aufstand und erzählte, was sie von unserer Tochter gefunden haben, ist meine Frau kollabiert."


Während Angehörige der Opfer neue Albträume fürchten, rüsten sich Hilfsorganisationen in der Eastside für den Ansturm der Fernsehcrews aus aller Welt, wenn das Verfahren beginnt.

"Wenn die ersten Details aus dem Gerichtssaal dringen, wird jede Frau hier in der Eastside - egal wie sehr sie von den Vorgängen betroffen ist - traumatisiert werden", sagt Kate Gibson, die das "Women in Need Safe House", eine Betreuungsstation für Frauen, in Vancouver leitet.

Ihr Team hat Fakten über den Handel mit Sexsklaven in Vancouver zusammengetragen und auch einige Videofilme produziert. Sie sollen an Journalisten verteilt werden.

Die Absicht hinter der ungewöhnlichen Vorproduktion: Viele Prostituierte in der Eastside haben ihren Familien nichts von ihrer Tätigkeit erzählt und sollen davor bewahrt bleiben, plötzlich in Fernsehberichten über das Pickton-Verfahren aufzutauchen.


Der Schweinchenpalast, so scheint es, wird seine Schatten noch lange auf die Stadt am Pazifik werfen. Und Robert Pickton, der in Kanada keine Todesstrafe fürchten muss, kann außerdem hoffen.

Er hatte laut kanadischem Gesetz die Wahl zwischen einer Jury und einem Berufsrichter und hat sich für die Geschworenen entschieden.

Wenn von den zwölf Juroren und ihren zwei Ersatzleuten nur drei von den anstehenden Enthüllungen traumatisiert werden und aufgeben, dann muss Richter Williams ein "mistrial" erklären, ein Scheitern des Verfahrens. Dann muss der gesamte Prozess neu aufgerollt werden.

Aus http://www.bild.de/

Im September 2007 wurde Robert William Pickton des Mordes an sechs Frauen schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. In weiteren Mordfällen wird ermittelt.

Vor seiner Verharftung hat er einen Teil seiner Farm an eine Baufirma um 7 Millionen Dollar verkauft. Inzwischen stehen Einfamilienhäuser darauf.

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